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Glücksspielstaatsvertrag: Politik plant Internetzensur durch die Hintertür

Das Thema wurde in der Netzgemeinde so heftig diskutiert wie kaum ein zweites zuvor: Netzsperren. Ursula von der Leyen wollte dieser Art der Zensur einführen um Kinderpornographie zu bekämpfen. Experten liefen Sturm, denn sie waren sich sicher: Löschen ist besser als sperren! Nun soll es aber erneut Netzsperren geben – aufgrund des neuen Glücksspielstaatsvertrags.

„Die zuständige Behörde des jeweiligen Landes kann … insbesondere Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, insbesondere Zugangsprovidern und Registraren, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses wird insoweit eingeschränkt (§ 9 Abs. 1 Ziff. 4).“

So lautet der aktuellste Entwurf des neuen Glücksspielstaatsvertrags, der aller Voraussicht nach auch zur Abstimmung gestellt wird. Hiernach sollen also Maßnahmen eingeführt werden, die bereits beim Sperren von kinderpornographischen Seiten heiß diskutiert wurden. Die meisten Angebote (Sportwetten etc.) sind in ihren Heimatländern legal, in Deutschland allerdings unzulässig, da sich der Staat bisher an das Glücksspielmonopol klammerte und im Gegensatz zu den Einnahmen aus Sportwetten nicht im geringsten Teilen auf die Lotterieeinnahmen verzichten will.

Experten vermuten nun, dass tausende Internetseiten für den deutschen User gesperrt werden, da Glücksspiel im Netz sehr präsent vertreten ist und der federführende Staatssekretär bereits äußerte, dass bis zu 90% der in Deutschland erreichbaren Glücksspielangebote blockiert werden. Die Ausmaße sind also deutlich größer und aufwendiger als noch in der Kinderpornographiedebatte, wo unter anderem vom Chaos Computer Club und mehreren Alpha-Bloggern das Vorgehen der Bundesregierung mit dem der iranischen oder chinesischen Netzpolitik verglichen wurde.

Interessant übrigens, dass sich im Diskussionspapier zum neuen Glücksspielstaatsvertrag kein Wort über all dies finden lässt. Udo Vetter vom renommierten Law Blog sieht hierfür zwei Erklärungen: „Entweder sind sich die Ministerpräsidenten also zutiefst einig über die Einführung einer Internetzensur. Nicht ganz von der Hand zu weisen dürfte aber auch die Möglichkeit sein, dass man die Öffentlichkeit nach Verabschiedung des Vertrags einfach vor vollendete Tatsachen stellen wollte“. Und auch Benjamin Stöcker, Mitglied im Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur, meint, „Wir erleben hier einen weiteren Versuch, eine Zensurinfrastruktur in Deutschland aufzubauen. Diesmal kommt er unter dem Deckmäntelchen der Prävention von Glücksspielsucht, wahrscheinlicher ist jedoch die Furcht vor Steuereinnahmeverlusten durch ausländische Glücksspielseiten“.

Aber es geht noch weiter: Die besagten Sperren würden nicht nur bei der Teilnahme Halt machen. Im Vertragsentwurf der Ministerpräsidenten ist ebenfalls davon die Rede, dass Banken und Kreditkartenfirmen auf Anweisung von oben die Weiterleitung von Wetteinsätzen und Gewinnen untersagt werden kann. Der Glücksspielstaatsvertrag, eigentlich als Öffnung für den Markt gedacht, verkommt also gerade zu einem Paradebeispiel von intriganter Zensur wie sie im Buche steht!


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