News

Poker ist kein Sport!

Ich kann dieses moderne Gerede über „Poker ist Sport“ wirklich nicht mehr hören. Poker ist „Ich will dein Geld und du willst mein Geld“. Nicht mehr und nicht weniger. Hat eigentlich schon irgend jemand auch mal darüber nachgedacht, wenn Poker tatsächlich Sport wäre? Dann wäre es nämlich vorbei mit hohen Preisgeldern und jeder kann gewinnen.

Pokerligen sprießen aus dem Boden wie Pilze bei feuchtem Herbstwetter. Vereine, Verbände, Dachorganisationen werden gegründet, alle nur mit einem Ziel – Poker soll endlich als Sport anerkannt werden und dann gleich als olympische Disziplin gelten. Und bei der Olympiade 2012 in London spielen dann die besten der besten Pokerspieler gegeneinander. Natürlich nur um der Medaille willen.

Poker ist ein Spiel, das von Geld beeinflusst wird. Nein, es wird von Geld beherrscht. Denn egal ob im Cashgame ein Pot zählt oder im Turnier der große Cash beim Sieg. Es zählt nur, wieviel Geld man am Ende in der Tasche hat. Das war immer so und das wird immer so bleiben. Sicherlich hat sich das Spiel im Laufe der Zeit drastisch verändert. Aber die Motivation blieb immer dieselbe.

Die einzelnen Ligen sind eine nette Idee und wenn es irgendwann jemand schafft, tatsächlich alle zu einen und in ein welteinheitliches System wie die FIFA zu bringen, dann hat dieser jemand meinen tiefsten Respekt, weil ich es für schlichtweg unmöglich halte. Weil die Langzeit-Motivation fehlt. Sicherlich jede Sportart mit ihrem zugehörigen Verband hat sich über Jahre und Jahrzehnte entwickelt. Aber gerade im Poker gibt es einige eklatante Unterschiede:

Poker lebt davon, dass jeder gewinnen kann. Siehe Chris Moneymaker als Stellvertreter für alle „From Zero to Hero“ Gewinner. Poker in einem Ligasystem heißt aber, dass man in der untersten Kreisklasse anfängt und sich über Saison zu Saison hocharbeitet. Also kann ich, wenn ich heute einsteige, in ca. fünf bis zehn Jahren mit den ganz Großen spielen – wenn Poker Sport ist.

Poker lebt davon, Geld zu gewinnen. Jeder träumt vom schnellen Reichtum durch einen Turniersieg. Sicherlich bleibt dieser vielen verwehrt, aber immer wieder mal ein kleineres Turnier gewinnen und vielleicht auch einmal bei einem großen vorne mitmischen, das ist für viele möglich. Im Cashgame habe ich in jedem Pot aufs Neue die Möglichkeit Geld zu gewinnen. Und der Geldfaktor spielt dabei auch in der Taktik und Strategie eine entscheidende Rolle. Um was würde denn bei einer Poker-Olympiade gespielt? Sponsorengeld? Medaillen? Oder einfach nur um sagen zu können „Ich bin der Beste?“ Wer finanziert denn die Spieler? Woher sollen denn die Sponsoren für die Spieler kommen? T-Mobile überdenkt seine Werbestrategie neu und gibt das Marketing-Budget lieber für Pokerspieler als für Skifahrer aus? Nein, das ist eine Illusion, die auch schon bei anderen Spielen wie Schach nicht funktioniert hat.

Poker ist eine Massenbewegung frei nach dem Motto „jeder kann mitmachen“. Das Spiel ist nicht schwer zu lernen und wie Jack Ury bei jeder WSOP zeigt, auch nicht an ein Alter gebunden. Was würde aber aus einer Veranstaltung wie der WSOP? Jedes Jahr wird die Teilnehmerzahl größer, weil die Begeisterung an Poker steigt – und weil jeder die Dollarzeichen in den Augen hat. Wer beneidet nicht einen Jamie Gold um seinen $12.000.000 Rekordgewinn? Wer aber beneidet ihn darum, gewonnen im Sinne von „Er ist der beste Spieler“ zu haben? Niemand. Weil er ganz sicher nicht der beste Pokerspieler ist. Aber er war an diesen zehn Tagen jener Spieler, der offenbar im richtigen Moment das richtige getan hat. Wäre Poker Sport, dann hätte ein Jamie Gold wahrscheinlich nie eine WSOP gesehen, weil er schon in der Regionalliga gescheitert wäre.

Poker hat ein Suchtpotential. Wird es auch gerne totgeschwiegen, auch Poker hat bereits Existenzen zerstört. Es sind im Vergleich zu Automaten, Wetten, Roulette und sonstigen Glücksspielen sicherlich sehr wenige, aber es passiert. Weil eben um Geld gespielt wird. Gäbe es keinen Geldeinsatz, wäre das Suchtpotential nicht da. Aber gäbe es diesen Geldeinsatz nicht, sondern nur Pokerligen im sportlichen Sinne, würde ein Großteil der Spieler gar nicht pokern, sondern vermutlich weiter Schach oder Romme spielen.

Es gibt keine zwei Pokerwelten – eine in der um Geld gespielt wird und eine um der nur um die Sportlerehre gespielt wird. Es gibt nur eine richtige Pokerwelt und in der zählen Dollars, Euros und sonstige Währungen. Poker ist vom Gesetz her ein Glücksspiel. Ganz sicher ist es ein Geschicklichkeits- und Strategiespiel und für viele ist es auch einfach nur ein Unterhaltungsspiel und Zeitvertreib und Hobby. Aber Poker ist kein Sport. Niemand trainiert von Kindesbeinen an, um in dieser Disziplin Weltmeister zu werden, denn es würde nicht funktionieren. Poker hat mit mathematischen Fähigkeiten, Psychologie und Strategie zu tun. Und in vielerlei Hinsicht gibt es auch Parallelen zum Schachspiel. Denn auch beim Schach kämpfen Verbände darum, dass das Spiel als Sportart anerkannt wird und offiziell bei Olympia zugelassen wird. Es gibt eine eigene Schacholympiade – genauso wie es eigentlich schon eine Pokerolympiade gibt. Nur heißt die im Falle von Poker WSOP. Und es ist gut so wie es ist. Wenn schon um internationale Anerkennung des Spiels kämpfen, dann bitte auch in der richtigen Kategorie – Geschicklichkeitsspiel oder Strategiespiel, aber sicher nicht als Sport.


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
42 Comments
Inline Feedbacks
View all comments