Kolumnen

Poker ist Sport+

Diskutiert wollte ich das Thema haben, nicht diffamiert. Gerne gehe ich auf konstruktive Kommentare zu meinem letzten Beitrag ein. Zunächst einmal Danke an alle Leser, auch an den Ex-Leser, willkommen zurück! 😉

Dann auch ein herzliches Dankeschön an alle Kommentatoren. In jedem Fall habt ihr eure Zeit freiwillig für das Formulieren eures Statements geopfert. Das lässt immer Rückschlüsse auf die jeweiligen persönlichen Handlungsalternativen zu.

Besonders dankbar bin ich also denen, die begründet und ernsthaft (egal in welche Richtung) argumentiert haben. Denn solchen Menschen unterstelle ich, dass sie auch anderes Sinnvolles zu tun hätten. Sie haben also wirklich etwas in das Thema investiert. Danke dafür! Es ist gut für Poker, wenn sich ernsthafte Menschen ernsthaft Gedanken machen.

Nun zu der Sache, über die ich mir wirklich einen Kopf gemacht habe:
„{Poker} ist ein Mindsport. Denn es verlangt dem Spieler alles ab, was auch Schach, die Mutter der Mindgames, vom Spieler verlangt.“ Das habe ich geschrieben und das war eindeutig zu knapp.

Für mich war der Gedanke dahinter sonnenklar. Nun ist mir ebenso sonnenklar, dass ich hätte erklären müssen, worin ich die große Gemeinsamkeit in Poker und Schach sehe. Denn der große Unterschied, dass Schach letztlich rein deterministisch ist, Poker aber immer stochastisch bleiben wird, ist mir natürlich bewusst. Ich brauche also gewichtige Argumente, um dies aufwiegen zu können. Ich denke ich habe sie.

Zufall? Was ist das eigentlich? Keineswegs für Platzverschwendung halte ich folgende auch hier  nachzulesende Definition:

Beim Zufall handelt es sich um den Übergang aus einer Ausgangssituation, die mehrere Endsituationen ermöglicht, in genau eine dieser Endsituationen, wobei zum einen keine erkennbare Ursache für das Zustandekommen dieser einen Endsituation vorliegt und zum anderen bei wiederholtem Vorliegen derselben Ausgangssituation auch die anderen Endsituationen eintreten können.

Wichtig ist das Adjektiv in: …keine erkennbare Ursache…

Das heißt nicht, dass eine Ursache nicht existieren kann. Der Beobachter erkennt sie nur nicht. Warum ist das wichtig?

Weil die Macht des Zufalls mit dem Siegeszug der Naturwissenschaften spätestens seit den alten Griechen immer mehr zurückgegangen ist. Wir sind bei immer mehr und immer komplexeren Sachverhalten in der Lage, die Zusammenhänge klar zu sehen. Deshalb können wir Dinge vorhersagen, die früher zufällig erschienen.

Was war damals los, wenn die Sonne sich „plötzlich“ verfinsterte? Thales wurde noch berühmt für seine Vorhersage. Heute werden Leute in Flugzeuge gekarrt, um nette Photos an den geeignetesten Orten zu knipsen.

Wie oft wird heute noch eine massive Bet am Turn mit dem blanken Flushdraw bezahlt, weil er „entweder kommt oder eben nicht“? 50:50 quasi…

Bringt man diesen Gedankenkreis zu Ende, dann ist auch Schach nicht zufallsfrei! Denn spielen Laien gegeneinander, so kratzen sie nur so wenig an der Oberfläche der Komplexität der Spielsituation, dass viel mehr zufällig entsteht als beabsichtigt. Selbst auf Topniveau kann das Spiel vom Menschen nicht vollends durchleuchtet werden. Heutige Computer schlagen die besten unserer Spezies. Computer sind aber dumm im Sinne von wenig effizient. Sie „denken“ jeden noch so abwegigen Zug und alles, was daraus entsteht, durch. Leider sind sie so extrem schnell, dass sie sich dies leisten können. Irgendwann ist der optimale Zug gefunden und der ist dann manchmal besser als der des klügsten menschlichen Spielers. Ob Kasparov also in jedem der sich ihm bietenden riesigen Möglichkeitsräume den besten Zug zu finden vermag, oder manchmal „nur“ einen fast so Guten, ist zu einem gewissen Grad Zufall. Denn es kann nicht zweifelfrei vorhergesagt werden. Schach per se mag also vollkommen zufallsfrei sein, doch gespielt wird es von unvollkommenen Menschen. Diese bringen Unschärfe auch in dieses „Paradies“.

Ob man dieser Anschauung folgen möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Mir war es nur wichtig aufzuzeigen, dass die Dinge hier nicht so klar liegen, wie sie es zunächst scheinen. Wichtiger ist mir die aktive Formulierung der Gemeinsamkeit dieser Spiele: Es sind Entscheidungsspiele. Das macht sie zu Mindsports.

Als erfolgsorientierter Pokerspieler denke ich sehr ähnlich wie ein Schachspieler. Ich analysiere die Ist-Situation. Ich überlege mir Maßnahmen, diese für die Zukunft bestmöglich weiter zu entwickeln und überlege, welche Gegenmaßnahmen der oder die andere(n) Spieler ergreifen könnte(n). Welche Züge ergeben sich dann wiederum für mich? So denke ich das Spiel – wenn möglich – bis zu Ende. Je mehr ich von dem Spiel verstehe, je mehr ich weiß, desto besser sind meine Annahmen über die denkbaren Zukunftsszenarien. Nach Abschluss meiner Überlegungen treffe ich eine Entscheidung.

Das, was ich tue, bestimmt für mich das Wesen eines Spiels und nicht, wie das Spielmaterial angemalt ist. In beiden Welten analysiere, kalkuliere und spekuliere ich. Dann entscheide ich. Deshalb sehe ich diese Spiele in sehr ähnlichem Lichte.

Teil 3 wird es so schnell nicht geben. Lieber schreibe ich bald mal was über eine interessante Hand, die ich gegen Götz gespielt habe… Bis dann!

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan M. Kalhamer
<gambling-institute.de
– calculated gaming –


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