Kolumnen

Rasches Poker, live

Harald hat uns bereits von den Amateur Poker Weltmeisterschaften zu Nottingham berichtet. Ich will ein wenig auf seinen Bericht eingehen und besonderes Augenmerk auf das Doubledealing im Heads Up Event legen.

Harald schreibt:
„Während ich letztes Jahr aus deutscher Sicht noch ziemlich einsam bei diesem Event war, hat sich diesmal eine kleine Gruppe um Stephan Kalhammer ebenfalls auf den Weg nach Nottingham gemacht.“ Diesen „Kalhammer“ hab ich nicht gesehen, aber vor Ort waren die German Federation of Poker (www.gerfedpoker.com) mit Vicepräsident Jürgen Bachmann, Ligamanager Mike König, unserem amtierenden deutschen Heads Up Meister – den Five Diamonds Berlin – und meiner Wenigkeit, der ich nur ein einziges windiges „m“ im Nachnamen zu bieten habe.

So bin ich froh, dass es wohl nicht ich war, den Harald wie folgt zitiert:
„Stephan Kalhammer sieht die Situation aber mehr als entspannt: „Da ist noch alles drin. Die wichtigen Entscheidungen fallen sowieso immer erst am Tag 2. Der erste Tag ist vor allem wichtig um erst einmal seine Gegner kennenzulernen“.“ Denn diese Aussage bestätigte sich keineswegs. Euphemistisch dargestellt verpasste Deutschland tragisch knapp einen einstelligen Platz in der Endtabelle. (Wir wurden 10. bei 12 teilnehmenden Teams.)

Nun aber zu meinem eigentlichen Thema für diesen Beitrag. Auch hierauf ging Harald bereits ein wenig ein: „Während die erste Runde noch mit einem Dealer pro Tisch gespielt wurde gab es in der zweiten Runde dann zwei Dealer. Dementsprechend mehr Hände konnten in derselben Zeit gespielt werden.“ Die Organisation im Dusk Till Dawn Casino war gerade im Heads Up Event so exzellent, dass es schon fast anstrengend wurde. Mit den Spielern an den beiden Kopfenden eines normalen Pokertisches, einen normalen Dealer im Dealerseat und einen weiteren Dealer in Seat 5 (natürlich mit zweitem Kartendeck ausgestattet) konnte richtig Tempopoker gespielt werden.

Dies hat zwei unmittelbare Folgen:

Erstens führt es zu einer verzerrten Wahrnehmung der Blindstruktur. Ich sehe eine Struktur und vergleiche sie intuitiv mit meinen Erfahrungen. So gewinne ich ein Gefühl für das, was auf mich zukommt und ich entwickle daraus eine Strategie – einen ersten groben Fahrplan für die Partie. Fast sicher überschätzt man dann den Druck der Blinds in dieser Situation, denn Doubledealing heisst mindestens 50% mehr Hände und das bedeutet natürlich im selben Maße mehr „Zeit“ oder Raum fürs Spiel. Vielleicht kam dieser Effekt Mikes tightem Spielansatz sehr entgegen. Seine Gegner gingen gewohnt forsch ran, konnte aber nicht gewohnt teuer rauben, weil die Level mehr Hände boten.

Mein zweiter Punkt schließt direkt an. Mikes Turnier dauerte sieben Stunden und er hatte nur einmal 30 Minuten Pause. Seine Partien gingen fast immer über „die volle Distanz“ (die anderen waren einfach schneller) und so ging es für ihn quasi immer nahtlos in die nächste Runde doppelt gedealten Heads Up Pokers. Mike fühlte sich Stunden nach seinem Erfolg immer noch ausgelaugt und leer. Ich denke, das ist auch verständlich. Die Zeit ist ohnehin lang und seine Entscheidungsfrequenz ist mit Sicherheit in etwa zehn Mal so hoch als in einem vergleichbar gemütlichen fullring MTT. Denn er ist nicht jedes zehnte Mal dran, sondern jedes zweite Mal und es gibt auch keine Mischpausen zum reflektieren und neu ausrichten.

Dazu kommt noch die Anspannung wegen der ständigen Entscheidungsrelevanz im Heads Up Turnier. Denn wirklich jede Setzrunde kann unmittelbar über Spiel, Stack und Match entscheiden. Alles in allem hat mich dieses Event in meiner Meinung bestätigt, dass Heads Up Poker eine Disziplin ist, die den Charakter des Wettkampfes im Pokersport zu betonen vermag.

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan M. Kalhamer für
the-gambling-institute.eu
– calculated gaming –


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