Rettet die Schafe!

Und in dieser Aufgabe möchte ich euch nun regelmäßig etwas andere Einblicke in die Pokerszene bieten. Hier wird es also nicht um einen AK vs. QQ Showdown gehen oder über ein spannendes Heads-Up bei der letzten WSOP. Durch meine Tätigkeit in der Pokerindustrie habe ich Informationen und Wissen gesammelt, welche ich nun mit euch teilen will.

Für die Premiere hab ich mir ein Thema ausgesucht, das mir schon sehr lange auf dem Herzen liegt. Die Gier der Pokerspieler und warum die „Und nach mir die Sintflut“ Mentalität auf Dauer nicht gut gehen kann. Schon der gute alte Amarillo Slim hat erkannt: Du kannst ein Schaf hundert Mal scheren, aber ihm nur einmal die Haut abziehen.

Viele erfolgreiche Pokerspieler haben das bis heute nicht verstanden und agieren wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen, frei nach der Devise: „Ihr seid ja alles nur Opfaz! Geschlachtet! Der nächste Bitte!“ Doch diese goldenen Zeiten sind vorbei. Während im Poker Boom, die Schafe, Fische und Esel regelrecht darum bettelten, ausgenommen zu werden, sind immer weniger bereit, in ein Spiel einzusteigen, das von Bullys und Sharks dominiert wird. Auch die angesprochenen Schafe, Fische und Esel haben mittlerweile aufgehört oder sich weiterentwickelt.

Dabei wäre es eigentlich ganz einfach, denn sehr viele (schlechte) Pokerspieler wollen eigentlich nur eins: SPASS HABEN. Und genau der wird vielen Einsteigern genommen. „Was bist denn du für ein Fisch!“ oder „Dich mach ich fertig!“ sind noch die harmlosen Sprüche, mit denen Neulinge in der Regel begrüßt werden. Wieso callt der Wappler mit J3 mein AA und gewinnt auch noch? Also fleißig beschimpfen – das hilft, das angeknackste Poker Ego zu beruhigen und sicher auch, dass derjenige in Zukunft nicht mehr spielt.

Einer der häufigsten Anfragen, die auf meinem Schreibtisch landet, lautet wie folgt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie schon einmal wende ich mich wieder an Sie. Ich würde Sie wirklich bitten, bei Freeroll Pokertournieren die Spieler, die nicht eingeloggt sind, dementsprechend zu entfernen. Super wäre natürlich auch 3 Freerolls Sperre für diese „Aussetzer“.

Für den regulären Turnierspieler ist so etwas komplett unverständlich. Aussetzer = Dead Money = Größere Gewinnchance! Aussetzer aber nehmen neuen Usern den Spaß am Spiel und verhindern womöglich den tieferen Einstieg. Daran erkennt man sehr gut die Problematik, dass langjährige Pokerspieler in der Regel keine Ahnung haben, warum neue Spieler sich mit dem Spiel beschäftigen und welche Wünsche und Sorgen diese haben. Im konkreten Fall haben wir die Anmeldezeit für unsere Freerolls verringert, um weniger Aussetzer in den Turnieren zu haben – mit Erfolg!

Die nächste Tatsache dreht sich um die Turnierstruktur. Gewisse Pokerspieler fordern immer langsamere Strukturen – am besten 2 Stunden Levels mit Mini Blindanstiegen. Oder noch besser 3 Stunden und 4 Tages Events! Dass Turniere dadurch viele Stunden und sogar bis in den Morgengrauen dauern ist nebensächlich. Aber dass User, die am nächsten Tag früh aufstehen müssen, deshalb nicht mitspielen, wird nicht bedacht. Die „Bist du zu schwach, dann brauchen wir dich nicht“ Devise hilft hier keinem!

Hier ist eine optimale Lösung sehr schwierig. Wir bieten zum Beispiel regelmäßig € 25,- Rebuy Turniere mit € 50.000,- Garantiert an. Viele Einsteiger können hier erstmals am großen Geld schnuppern – aber in den Foren und im Social Web ist dann von „Donkaments Turnieren“ die Rede und dass man hier sicher nicht mitspielt, weil um 03:00 Uhr der Final Table eh nur noch ein Crapshot ist. Damit macht man den Einsteigern diese Turniere sicher schmackhaft – NOOOT! Ich werte regelmäßig die Teilnehmerzahlen der unterschiedlichen Strukturen aus und die Turbo und Highspeed Turniere gewinnen immer mehr an Zuspruch, während die Deep Stack Turniere stagnieren. Wenn wir dem Rechnung tragen und den Turnierplan anpassen, treten die Kritiker natürlich sofort auf den Plan, um hier sofort lauthals zu kritisieren und zu schimpfen.

Wenn der Trend anhält, wird es die nächsten Jahre nicht besser werden. Die Luft wird dünner, die Stimmung aggressiver. Wie bei diversen Poker Kongressen zu hören ist, werden viele Seiten versuchen, ihre erfolgreichen Rakeback Spieler entweder loszuwerden oder das Rakeback zu mindern. Die ersten Schritte hat es in der Vergangenheit ja schon gegeben. Denn genau diese erfolgreichen Spieler sollten eigentlich dabei helfen, neue Spieler in das Spiel einzuführen – und genau hier helfen u.a. schnellere Turnierstrukturen. Auch anstatt das Table Buy-in laufend noch oben zu schrauben, um hier noch mehr Gewinn zu erzielen („Ich hab letztes Monat wegen den unnötigen Short-Stackern nur €10.000 gewonnen“), sollten sich viele einmal überlegen, ob Einsteiger gewillt sind, gleich mit 50 BB ins Spiel einzusteigen oder ob sie nicht lieber einmal mit 10 BB in ein neues Level reinschnuppern wollen.

Also mein direkter Appell an alle, die sich jetzt angesprochen fühlen: „Reißts euch ein bissl zam!“ Denn nur so ist es möglich, auch in den nächsten Jahren eine gesunde Poker Economy am Leben zu erhalten. Wenn es dadurch notwendig ist, Strukturen und Auszahlungen einsteigerfreundlicher zu machen, dann unterstützt das – es soll mittelfristig euer Schaden nicht sein!

Zum Schluss noch ein Aufruf an all jene, die sich schon immer gewünscht haben, hinter die Kulissen eines Online Poker Rooms zu blicken. Falls es Wünsche oder Anregungen für eine zukünftige Kolumne gibt, würde ich mich unter [email protected] sehr über Ideen aber auch Feedback freuen.


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