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Royal Flush – Imprime a taxe reduite

Besser Poker spielen und schlauer durch den Alltag gehen. Hört sich gut an und Lebenshilfe kann man immer brauchen. Florian Achenbach und Jan Meinert haben ein Buch geschrieben: „Royal Flush – Pokern oder die Kunst das Leben zu meistern“. Mein Versuch einer Rezension ist zugegeben gescheitert. Die Kunst dieses Buch zu meistern ward mir nicht gegeben. Bei Seite 140 musste ich Schluss machen. Mit dem Buch oder mit meinem Leben und ich habe mich für Ersteres entschieden. Lesen Sie meine hastigen und zugeben etwas ungeordneten Gedanken.  – Wenn Sie sich mental stark genug fühlen, um die restlichen 54 Seiten zu besprechen, bewerben Sie sich bitte bei der Redaktion (dazu später mehr).

Florian Achenbach, Jan Meinert
Royal Flush
Pokern oder die Kunst, das Leben zu meistern

Erschienen: August 2009
208 Seiten
Kartoniert
€ 7,95 [D], € 8,20 [A], sFr 14,90
ISBN: 9783492253321

Das klobige braune Dinge in meinem Postfach. Es macht mir Angst. Schon auf den ersten Blick verspüre ich tief drinnen in mir den Wunsch zu fliehen. Einfach so, Schlüssel abziehen und weg. Nicht anfassen, nicht nachdenken und bloß nicht öffnen.

Die Wellpappe leicht angeschmutzt, das Etikett charmant schräg oben in der ausnahmsweise unschuldigen rechten Ecke. Absender „Bücherdienst Stuttgart“. Wäre da nicht dieser kleine Satz. Dieser kleine Satz, der meine Seele rührt und mich verführt  „Inprime a taxe reduite“.

Das Konzept ist schnell erklärt. Zu Situationen am Pokertisch werden Analogien im Alltag gesucht. Der Gedanke ist nett und so ein Buch sollte wirklich mal geschrieben werden. Allerdings vielleicht von jemandem, der zumindest ansatzweise über entsprechend interessante und mitteilungswerte Erfahrungen verfügt. „Royal Flush“ ist ein biederes, ja fast rührend hilfloses Werk im Stile des üblen  „Readers Digest“ Textes.

Die 50er Jahre lassen grüßen. Nur statt Schuppen am Trevira-Hemd und Pflegeempfehlungen für Kreppsohlen, gibt es Flirttipps und eine Art Berufsberatung. Neben allgemeinen gruseligen und unweisen Lebensratschlägen. Konsequente Selbsthilfe zur Selbstbeschädigung für Jedermann.

Apropos Selbsthilfe. Ich glaube das Buch wird ein Erfolg. Vielleicht reicht es sogar zu einem Bestseller. In einer Zeit, in der Mario Barth ganze Stadien füllt und eine neue Folge von „Frei Schnauze“ das innerstädtische Verkehrsaufkommen nachweislich reduziert, wird sich da noch ein Plätzchen in den Top-Ten Verkaufslisten finden. In meine persönlichenTop Five haben es die beiden Autoren bereits geschafft – doch dazu später mehr.

Es sind die Sidesteps, die aus einem traurigen Leben gegriffenen Beispiele, die das Buch so unerträglich machen. Was muss in einem Jan Meinert oder einem Florian Achenbach vorgehen, wenn ihnen zum Stichwort „Imagepflege“ folgendes einfällt:

„Wenn ich einen mir als sanftmütig bekannten Menschen beobachte, wie er mit einer glühenden Zigarette seine Tochter foltert, wird mein Hirn das bestehende Image überdenken müssen“.

So manches Hirn muss da scheinbar einiges „überdenken“. Vielleicht sogar angeleitet unter fachärztlicher Hilfe. Mit den zu erwartenden Tantiemen müsste das finanzierbar sein. – Nebenbei bemerkt. Was ist mit dem altehrwürdigen Piper-Verlag geschehen?

Ist es schon soweit, dass Sachbücher am Lektorat vorbei produziert werden? Oder halten die das für „schick“ und „zeitgeistig“, weil am Thema Poker so schwer vorbei kommt.

„Ein ehrliches Image aufzubauen kann sehr lukrativ sein: Geben Sie zum Beispiel vor versammelter Truppe zu, nach ein paar Cocktails eine sehr unattraktive Person geküsst zu haben, wird Sie jeder für ehrlich halten. Denn so etwas Peinliches gesteht man nur ungern ein“

Eine unattraktive Person zu küssen! Wie peinlich ist das denn? Schlimmer wäre es nur, „seine Felgen bei Ebay zu ersteigern“. – Die Thematik der billigen Felgen lässt dem Autorenduo keine Ruhe und in Felgenhöhe ist auch das intellektuelle Niveau des folgenden Zitates angesiedelt.

„Wenn man einmal ein Leben vom Anfang bis zum Ende betrachtet fällt einem ein ähnlicher Verlauf auf. Jeder hat zu Beginn im Durchschnitt ähnliche Voraussetzungen, aber die Uhr tickt, und je weiter das Leben fortschreitet, desto mehr Risiken muss man eingehen um seine Lebensziele zu erreichen.“

Angeblich braucht der weise Rabbi ein ganzes Buch, um das zu widerlegen, was ein wirklich dummer Mensch in einem Satz an geistigem Unrat verbreiten kann. Für ein ganzes Buch habe ich persönlich keine Zeit, aber zum zitierten Absatz könnte ich einen zweistündigen Vortrag aus dem Stegreif halten. Vielleicht auch etwas für Ihre Veranstaltung. Zu buchen bin ich über die Redaktion. Anreise mit dem Zug und Einzelzimmer mit Frühstück in einem Mittelklassehotel wird erwartet.

„Die Chance, dass jemand vom Blitz getroffen wird, ist sehr, sehr klein, aber sie existiert und deswegen kommt so etwas auch leider vor“.

Putzig das ungelenk eingefügte „leider“. Ich hätte da zwei Kandidaten für weitere Leider-Blitzeinschläge. Vielleicht ausgesandt vom Gott der Sprache, dem sich nach Babylon endlich wieder wahrlich lohnende Ziele präsentieren.

Wobei „Royal Flush“ ist durchaus in einer deutschähnlichen Sprache geschrieben. Mangelnde Kenntnis der Grammatik und die Absenz jeglichen Sprachgefühls wird so nachhaltig überhöht, dass der Eindruck entstehen könnte, es handle sich dabei um Kult und nicht um Dummheit. Die Autoren haben so ihr Unvermögen bewältigt und sie werden vielleicht auch noch reich dabei. Es sei ihnen gegönnt. Ich bleibe lieber arm und küsse die Menschen, die ich liebe und von Felgen und Lebenshilfebüchern lasse ich überhaupt die Finger.

Bedanken möchte ich mich bei Jan Meinert und Florian Achenbach noch für die einzige Stelle in dem Buch, die wirklich authentisch und originär scheint. Auf der legendären Seite 140 findet sich folgendes Zitat:

“Wie muss es einem Menschen gehen, der ständig in eine Wolke aus Dummheit eingehüllt ist? Es ist oft nicht einfach, und manche dieser Menschen neigen sogar zu Depressionen”.

Der Satz rührt mein Herz und das putzig eingefügte “sogar” lässt mich schmunzeln. Ich erkläre dieses Zitat zu meinem persönlichen Schlusssatz. Weiter will ich nicht lesen. Genug ist genug und muss manchmal genügen – das weiß sogar inzwischen Konstatin Wecker. Vielleicht verraten uns die beiden Autoren in einem der nächsten (gemeinsamen?) Werke, wie es sich denn so anfühlt, ständig eingehüllt in einer „Wolke aus Dummheit“ durchs Leben zu stapfen. Nur bevor die diagnostizierte Neigung zur Depression noch zur traurigen Tatsache wird, werde ich den gar nicht versteckten Hilferuf respektieren und mich zurückziehen. Gerade noch im letzten Moment und im Sinne von „Inprime a  taxe reduite“

Abschließend noch die versprochenen Top Five der schlechtesten Bücher, die ich jemals lesen musste. “Royal Flush” kann ich noch nicht letztgültig einordnen und will da keinesfalls ungerecht sein. Aktuell neige ich zu Platz Vier, warte aber noch auf das Urteil meines stellvertretenden Gastrezensenten.


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