Kolumnen

Slowrolling

Poker ist hart und unerbittlich. Am Tisch gibt es keine Gnade und keine Gefangenen. Selbst wenn ich mit meinem besten Freund George Danzer am Tisch sitze (wie beim ersten Tisch des Main Events der PCA 2010 vor wenigen Tagen), spielen wir hart gegeneinander. Trotzdem gibt es Höflichkeit am Tisch. Einige Dinge macht man einfach nicht, sie verstoßen gegen die Etikette des traditionsreichen Pokerspiels.

Einer der schlimmsten Etikettenverstöße, sozusagen die Kardinalssünde am Tisch, ist die sogenannte Slowroll.
Von Slowroll spricht man, wenn ein Spieler die offensichtlich beste Hand, die Gewinnerhand des Pots, nicht sofort umdreht, sondern z.B. wartet, bis sein Gegner seine Karten zeigt. Dadurch lässt der Spieler den Gegner oft im Glauben, den Pot gewonnen zu haben, nur um dann doch die Hand umzudrehen. Slowroll kann aber auch sein, wenn man erst eine Karte umdreht, dann die zweite. Tut das nicht! Hält nur auf und ist unhöflich, dem Gegner gegenüber, dem Dealer gegenüber (der muss schließlich drauf bestehen, dass die zweite Karte auch umgedreht wird) und den anderen Spielern gegenüber, die noch länger warten müssen, bis es zur nächsten Hand weitergeht.

Die schlimmste Art von Slowroll ist, wenn man die Nuts hält und noch überlegt, ob man all-in called. Natürlich überlegt man nicht wirklich, denn man hat schließlich die Nuts und kann auch nicht mehr raisen.

So wie das Team Germany im World Cup of Poker Finale 2010, auf den Bahamas.
Wie?? Erst lange Moralpredigt, dann so was? Immerhin war doch der Heitmann Team Captain für Deutschland? Und dann haben die geslowrolled??

Aber von Anfang an.

Als Titelverteidiger bin ich auch 2010 wieder als Team Captain für Deutschland für den World Cup of Poker aufgestellt. Das Team setzt sich aus 4 Onlinequalifikanten und dem Captain zusammen. Insgesamt 9 Nationen treten drei Tage lang im Finale während der PCA Bahamas an.
Zwei Tage lang wird in den Vorrunden der Chipstapel der jeweiligen Teams für das Finale ermittelt. Im Finale spielt immer ein Spieler pro Team am Finaltisch. Die Spieler werden nach 20 Minuten für jedes Blindlevel durchrotiert und der Team Captain kann nach Ablauf zweier Rotationen, also ab dem 11. Level, Substitutionen vornehmen.

Außerdem darf jedes Team ein Time Out nehmen. Und dieses Jahr zum ersten Mal sogar während einer Hand. Das heißt, bei einer schwierigen Entscheidung kann sich das gesamte Team WÄHREND einer Hand beraten.

Das Time Out, was dieses Jahr wirklich für Furore gesorgt hat, seht ihr hier:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=MAJ0ibzf4yk[/youtube]

Wie konnte es zu so einer Situation kommen?

Wer mich kennt, weiss, dass ich Slowrolls verachte. Ich habe in meinem Leben genau einmal (unbeabsichtigt) jemanden geslowrollt und habe mich umgehend bei meinem Gegner entschuldigt. Das ist jetzt viele Jahre her.

Sascha, der junge Spieler am Tisch für Team Germany, ist nervös. Erstes Live-Turnier, TV-Tisch, Kameras, Interviews, bekannte Pros am Tisch. Und dann noch das Team im Nacken. Da will man natürlich keinen Fehler machen oder sogar –  welch Albtraum! – ausscheiden.

Jan Heitmann, erfahrener Pokerpro, zum zweiten Mal Team Captain für Deutschland, Titelverteidiger und bescheidener Pokerfirma-Kolumnist 😉 beobachtet mit seinen Mitstreitern, wie sich ein Riesenpot anbahnt. Die Karten von Sascha kennt er nicht.

Als der Kanadier über das Reraise von Sascha all-in geht, ist das gesamte Team Germany auf den Füßen. Captain Jan hat die beiden Hände schon erhoben, die linke nur wenige Zentimeter orthogonal über der Rechten, noch nicht ganz zum international anerkannten Zeichen für Time Out zusammengefügt. Augenkontakt zu Neil, dem Announcer und Turnierdirektor wird hergestellt.

Doch halt, vielleicht hat Sascha ja Asse und callt sofort? Sehr, sehr langsame 15 Sekunden verstreichen und Sascha dreht sich fragend zum Team um. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse.
Sofort treffen die beiden Hände des Team-Captains aufeinander, der Augenkontakt zu Neil wird durch ein kräftig gerufenes Time Out noch unterstützt. Sascha bestätigt es noch einmal mit der gleichen Geste. Neil annonciert Time Out. Jan macht noch einen Scherz „Can we go to the truck to see the Hole Cards?“ und versammelt sein Team.

Auf dem Hinweg zur Time Out Ecke überlegt sich Heitmann schon, ob er in diesem Spot mit QQ pleite gehen muss. Und wie sieht die Mathematik mit AK aus? Buben wird er wohl wegwerfen können. Kann Darus Suharto (der kanadische Anführer und WSOP Finalist) hier einen Move machen? Scheint unwahrscheinlich.

Auf dem Rückweg denkt er sich: „Hoffentlich halten die Asse.“ Und: wie erkläre ich die schlimmste Slowroll dieses Jahrhunderts bloß den Kanadiern??

Die nehmen es erst ziemlich schlecht auf, als die Karten umgedreht werden. Zeitgleich werden die deutschen Kommentatoren von ihren internationalen Kollegen in der Kabine hinter der TV Arena ausgebuht. Zwei Facebook-Gruppen schiessen aus dem Boden.
Nach der Hand geht Jan sofort zum Team Kanada und erklärt, wie es dazu kommen konnte. Er kannte ja die Hand nicht, und in dem Moment, wo Sascha sich fragend umdreht, ruft Jan sofort Time Out.

Darus nimmt es ziemlich gelassen. Und hinterher versteht er auch, wie es passieren konnte. Hut ab vor soviel Sportsmanship.

Die Hand wird uns noch länger verfolgen, Sascha und mich. Sascha war es sehr, sehr peinlich, er hat sich mehrmals entschuldigt. Aber böse Absicht war es nicht. Nur Nervosität. Und die überschnelle Reaktion seines Captains.

Diese Situation kam durch eine Verkettung von Umständen. Auf keinen Fall wurde hier mit Assen ein absichtliches Time Out gerufen und somit die schlimmste nur vorzustellende Slowroll verursacht. Wir haben uns sofort (und mehrmals) entschuldigt.

Absichtliche Slowrolls sind so ziemlich das niederste, was man am Pokertisch machen kann. Don’t do it.


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