Kolumnen

Spielschulden

Auch in diesem Jahr wird die Bankroll einiger „Sin-City-Pokerpilger“ wieder von mehreren Seiten attackiert. Neben der allgemeinen Gefahr, sein Geld durch Poker, Craps, Slots, Wetten und Herumhuren zu verlieren, kommt eine spezielle, unberechenbare Bedrohung hinzu: Gläubiger.

Ob im Rio, Wynn, Venetian oder im Bellagio – überall wird Poker gespielt, insbesondere im und um den Austragungszeitraum der World Series of Poker. Ist nichts Neues soweit. Aber genau hier heißt es: „Augen auf!“, denn hier ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass plötzlich aus dem Nichts ein Spieler mit geöffneter Hand hervorspringt und dich, anstatt zu grüßen, fordernd mit der Aussage konfrontiert: „Ey, du schuldest mir noch Geld!“ Eine unschöne Lage. Derart festgenagelt hast du folgende Optionen: sofort die Scheine zücken, demütig um Verlängerung bitten oder selbstbewusst ignorieren und weitergehen. Zunächst einmal solltest du durch Fragen (Wer bist du? Wieviel schulde ich dir? Wie lange ist das her? etc.) die Glaubwürdigkeit dieser Aussage überprüfen. Falls sich dann herausstellt, dass dich lediglich ein Obdachloser im Pokerspieler-Köstum über den Tisch ziehen wollte, hat sich die Sache für dich erledigt – wahlweise kann man der armen Sau für den cleveren Versuch noch ein paar Dollar in die Hand drücken. Spannend wird es jedoch, wenn der worst case eintritt: Du bist deinem Gegenüber tatsächlich einen Betrag schuldig, den du aber nicht hast oder haben willst, woraufhin er dir droht, deinen Arsch zu verklagen.

In dem Fall kann ein kurzer Blick ins Bürgerliche Gesetzbuch nicht schaden: Hier gilt zunächst der Grundsatz, dass eine “Spielschuld“ eine sog. unvollkommene Verbindlichkeit darstellt. Das heißt, dass Spielvereinbarungen zwar nicht als unsittliche und nichtige Geschäfte angesehen werden; jedoch ist derjenige, der gemäß der Vereinbarung Geld verloren hat, nicht dazu verpflichtet, diesen Betrag auch zu leisten. Diese Regelung (s. u.) soll der „Selbstgefährdung durch eine Leidenschaft“ entgegentreten, also den Spielschuldner schützen. Zahlt der Verlierer dennoch freiwillig, hat er keinen Anspruch mehr auf Rückforderung des Geleisteten.

§ 762 BGB – Spiel, Wette:
„(1) Durch Spiel oder durch Wette wird eine Verbindlichkeit nicht begründet. Das auf Grund des Spieles oder der Wette Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat.“

Zum Begriff „Spiel“: Hier versprechen die Vetragspartner einander eine Leistung, die an den Eintritt eines ungewissen Ereignisses (z. B. Gewinn einer Heads-up-Partie Poker, Monopoly, Mikado etc.) gebunden ist, womit sowohl Glücks- als auch Geschicklichkeitsspiele gemeint sind. Jedoch bezieht sich die Unverbindlichkeit solcher Spielvereinbarungen auch wirklich nur auf die Geschäfte, die mit dem Spieltatbestand des § 762 Abs. 1 BGB  zusammenhängen. Man muss also abgrenzen (so, jetzt aufpassen!): Wenn ich nämlich einem Pokerspieler Geld leihe, dann ist es mir  regelmäßig  egal, ob er das Geld dazu verwendet, die Ausbildung seiner Kinder zu finanzieren, oder ob er alles beim Pokern verdonkt. Im Gegensatz zum sog. spielfördernden Geschäft (z. B. ich gebe einem Spieler Geld, um einen Share an seinem Turnier zu erwerben), bei dem wieder die Rechtsfolgen des § 762 BGB eintreten, fungiere ich hier also nicht als Gegenspieler oder Mitspieler, sondern lediglich als unbeteiligter Dritter, der keine Teilhabe am Spiel hat. In diesem Fall schließe ich mit dem Pokerspieler einen ganz normalen, beide Parteien bindenden Darlehenvertrag gem. § 488 BGB und besitze entsprechend einen Anspruch auf Rückerstattung des  „geliehenen“ Geldes, den ich notfalls auch gerichtlich durchsetzen kann. Aber unabhängig von dieser rechtlichen Einordnung gilt natürlich das sog. „Anstands-Prinzip“: Wenn dir deine Reputation in der Pokerszene wichtig ist und du dir auch in Zukunft von Spielern Geld leihen möchtest, solltest du deine Schulden, egal ob diese nun verbindlich sind oder nicht, begleichen – zumindest irgendwann und irgendwie.


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