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Suchtexperte kritisiert Promis für Poker-Werbung

Schon länger ist es her, dass ein Suchtexperte sich zum Thema Poker äußerte. In einem ddp-Interview hat dies Andreas Czerny, Geschäftsführer der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern nun nachgeholt und greift dabei auch Prominente wie Stefan Raab und Boris Becker an.

Konkret heißt es da:
„Ein entschiedeneres Vorgehen gegen illegale Pokerseiten im Internet fordert die Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern. «Das dürfte eigentlich gar nicht gespielt werden und ist ein Problem des globalisierten Internet», sagte Geschäftsführer Andreas Czerny der Nachrichtenagentur ddp. Er rügte auch die Darstellung von Poker als coolem Spiel für junge Leute, das auch noch von Prominenten wie Boris Becker oder Stefan Raab vermarktet werde.
Dabei werde zu Unrecht der Eindruck erweckt, beim Poker könne der Spieler sehr viel selbst steuern. «Dabei ist der Anteil nicht so hoch, wie alle Glauben machen wollen. Es handelt sich dabei auch um Glücksspiel», betonte der Suchtexperte.
Die Anbieter säßen mit ihren Servern irgendwo auf den Cayman Inseln und jeder, der auf solchen Plattformen in Deutschland spiele, mache sich strafbar. «Es gibt Kollegen, die favorisieren solche Modelle wie bei Kinderpornografie, wo solche Seiten von den Providern gesperrt werden», sagte Czerny. Es sei jedoch fragwürdig, ob dies etwas nutze, weil die Seiten nur Tage später eben auf anderen Servern wieder auftauchten.
Czerny sieht in der Bevölkerung kaum ein Bewusstsein für die Gefahren von Spielen, obwohl die Zahl der Süchtigen «leicht zugenommen» habe. Schätzungen für Deutschland bewegten sich zwischen 80 000 und 280 000 Betroffenen. Es gebe Süchtige, die spielten alles, gingen ins Casino, an die Spielautomaten und spielten «äußerst umfangreich» Lotto.
80 Prozent der Menschen, die in die Beratungsstellen kommen, seien aber Automatenspieler. Czerny kritisierte, dass diese nicht unter das Glücksspiel fielen: «Wir würden uns wünschen, dass die ähnlich behandelt und reguliert werden.» Dann würde es auch möglich, Süchtige den Zutritt zu Spielotheken zu verweigern, was bei Casinos schon möglich sei.“

Quelle: www.ad-hoc-news.de/ddp-interview-suchtexperte-kritisiert-poker-als–/de/Politik/20178817

Es scheint fast so, als hätte sich Czerny noch nie mit Poker auseinandergesetzt. Beim Anstieg der Süchtigen ist von Automatenspielern die Rede, sogar Lotto wird angeführt. Aber Poker wird nicht explizit genannt. Vielleicht liegt es auch daran, dass Hr. Czerny mit seiner Behauptung, Pokerspieler haben keinen oder nur einen geringern Einfluss auf den Spielverlauf, komplett daneben liegt.

Wikipedia definiert „Glück“ unter anderem so: „Glück war demnach der günstige Ausgang eines Ereignisses. Voraussetzung für den „Beglückten“ waren weder ein bestimmtes Talent noch auch nur eigenes Zutun.“ Das hieße nun auch, dass es unter den Pokerspielern einfach Glücklichere gibt. Oder wie erklärt man sonst das Phänomen, dass es Spieler gibt, die immer wieder Turniere gewinnen?

Dass Stefan Raab und Boris Becker den Eindruck vermitteln, Poker habe weniger mit Glück als mit Können zu tun, das sei mal dahingestellt. Denn eigentlich sind die beiden ein Beispiel dafür, dass Glück alleine nicht ausreicht. Oder hat Boris Becker bislang einfach nur Pech gehabt und deshalb noch keine EPT gewonnen?

Ob Poker ein Glücks- oder ein Geschicklichkeitsspiel ist, werden irgendwann die Gerichte und Gesetzgeber entscheiden. Fakt ist aber, dass der Anteil der Suchtkranken unter den Pokerspielern verschwindend gering ist im Vergleich zu Roulette, Automaten, Black Jack und so weiter. Schon alleine deshalb kann Poker nicht mit anderen Casinospielen in einen Topf geworfen werden.

Czerny erweckt mit seinen Behauptungen eher den Eindruck, als missbrauche er den Pokerhype, um auf die Suchtproblematik bei Glücksspielen aufmerksam zu machen. Man könnte sogar glauben, dass Czerny noch nie mit einem Pokerspieler zu tun hatte. Denn sonst würde er wohl kaum versuchen, über die Nennung prominenter Namen ohne fundierte Argumentation Aufmerksamkeit zu erregen. Schade, dass man diesen – fast schon als Propaganda wirkenden – Text der breiten Öffentlichkeit präsentiert und auf jede weitere Recherche verzichtet.


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