Kolumnen

Reflexionen – „Passenger Hammerschmid“

Aber das war nicht der Hauptgrund meines Hasses. Der Hauptgrund war mein Ärger, meine Angst, dass mir jemand mein Buch weggeschrieben haben könnte. Mein Lebenswerk, die Sache, auf die ich stolz sein könnte. Und meine Mutter. Ein Buch ist etwas Unvergängliches, ganz im Gegenteil zu all meinem Geld. Und dann kommt so ein Unbekannter und stiehlt mir meine Idee. Am Ende noch gut ausgeführt?

Nein, das kann nicht sein. Woher sollte der denn seine Erfahrung haben? Gleich ein paar Telefonate mit Szene- Insidern. Gut, niemand kennt den Burschen. Muss ich mir keine Sorgen machen. Wird keine Konkurrenz sein für mich. Habe noch genug Zeit, mein Meisterwerk zu vollenden. Genug Zeit, einmal damit zu beginnen.

“Der Spieler” würde ich es nennen. Die Leute würden es nicht verstehen, die Kritiker würden es loben, und alle Spielerkollegen und Möchtegern- Kaibuxxes würden es kaufen. Schon bald würde man extra darauf hinweisen müssen, wenn man zufällig nach einem Werk mit dem gleichen Titel suchen sollte. Aus grauer Vorzeit, Dostoj…wie? Oh, welche Genugtuung würde es sein, Einladungen zum literarischen Quartett oder Universitätsbesuche abzusagen.
Ich nicht, laut euerem Bildungssystem bin ich doch nicht mal soviel wert wie irgendein Bäckerlehrling! Und ich könnte zurückdenken an diesen Tag, schon damals hatte ich gewusst das mein Titel besser sein würde.

“Passenger Hammerschmid”. Ich bitte dich!

Diese Leute meinen, ein interessanter oder kontroverser Titel wäre die halbe Miete. Ich würde beweisen, dass es mit einem kurzen und einfachen Titel klappen würde.
Würde beweisen, dass ich mehr Ahnung habe vom Spielertum, würde beweisen, dass ich die damit verbundene Einsamkeit besser kenne, würde beweisen… dass mein Leben spannender ist als das von irgendeinem fiktiven Charakter mit so einem dümmlichen Namen. Würde die von Seiter beschriebene Gleichförmigkeit, die Gleichmäßigkeit des Spielens, welche gleichzeitig den großen Reiz bedeutet, die Möglichkeit, die Zeit zu knechten in einer fast schon meditativen Beschäftigung, noch besser ausführen, den Leser schwindlig schreiben mit Ausführungen und Vergleichen, mit Bildern und Liebe und Taubheit, ihm keine Chance lassen, einen Gedanken zu Ende zu führen, keine Chance lassen, das Problem zu lösen. Nein, das würde niemand schaffen, wenn nicht einmal ich es kann.
Würde mir zu fein sein, auch nur eine einzige Pokerhand anzuführen, einen einzigen Statisten eine Bad Beat Geschichte erzählen zu lassen. Würde nicht auf niedere Mittel wie den Verlust seiner Bankroll zurückgreifen müssen, um das Scheitern darzustellen.
Nein, so einfach würde ich es mir bestimmt nicht machen.
Oh, wie würde dieses Buch die Welt verändern!

Jedlicka, Seiter, Schrage

Aber dann denke ich mir, auch im “Hammerschmid” steht viel Wahrheit, und seit dem Beginn meines Philosophiestudiums vor einer Woche wird mir angeraten, etwas weniger radikal mit meinem Wahrheitsbegriff umzugehen. Vielleicht ist der “Hammerschmid” gar nicht so unwertvoll, wie man meint. Vielleicht hat die Angst, von jemand anderem eingeholt zu werden, mein Bild verzerrt.
Und nett ist er auch noch, dieser Seiter. Hmm. Götz Schrage mag seine Schreibweise. Der ist vom Fach, der hat Ahnung. Schnell gelesen habe ich es auch, spricht das nicht normalerweise für eine sympathische Schreibweise? Vielleicht tue ich dem Kollegen unrecht. Eine gewisse Ahnung darf man ihm nicht absprechen. Eine gewisse Durchsicht hat er auf jeden Fall.

War es am Ende gar nicht die Angst, geschlagen zu werden im Duell um das Buch aller Bücher? Fühle ich mich etwa in meiner kritischen Stellung bedroht, möchte ich wirklich meinen Platz teilen? Mein Monopol aufgeben?
Es scheint, als hätte man mir keine Wahl gelassen…


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
2 Comments
Inline Feedbacks
View all comments