Kolumnen

Tiefe Bisse am hohen Limit

Thomas Bihl, Casey Kastle und ich waren ja hauptsächlich wegen dem H.O.R.S.E. Event angereist. Eine wirklich gelungene  Veranstaltung und schon dafür hat sich das CCC Wien ein Kompliment verdient. Allen Beteiligten hat das Turnier, soweit ich mitbekommen habe, wirklich großen Spaß gemacht und wir hoffen auf eine Wiederholung. Von der Platzierung lief es nicht so großartig. Thomas Bihl 9. Platz  und ich als 12. mussten uns leider knapp vor den Geldrängen geschlagen geben.

Abgesehen davon startete gleich zu Beginn der Turnierwoche ein wirklicher High Limit Tisch. Dealers Choice 80/160. In weiterer Folge wurden den üblichen Varianten noch „Deuce to Seven Triple Draw“ und Badugi hinzugefügt. In der Standardbesetzung  drei bis vier russische High Roller, meist zwei chinesische Pokerfreunde, der eine oder andere Ungar und dann noch als Vertreter der deutschen Pokerspieler Michael Keiner, Jens Vörtmann, Thomas Bihl und natürlich ich selbst als ausgewiesener Liebhaber richtiger Pokeraction.

Irgendwie wurde ich dann in die Rolle des koordinierenden Playing Captains der Partie gedrängt. Sicher auch wegen meiner marginalen Russischkenntnisse und der Tatsache, dass ich jeden Tag genug verlor, um auch am nächsten Tag genug entsprechend gut gelaunte Gegner zu finden.  Wenn der Tisch  zusammenbrach, klemmte ich mich ans Telefon und ein paar russischähnlicher Sätze später waren  wir wieder am Zocken.  Um die Wartezeiten bei „Deuce to Seven“ möglichst kurz zu halten (wegen der Menge der benötigten Karten kann man das maximal zu sechst spielen) hatten wir nach einiger Zeit festgelegt, dass wir nur sieben Spieler am Tisch zulassen wollten. So musste der Spieler nach dem Big Blind bei „Deuce to Seven“ aussetzen   – gekennzeichnet durch einen gelben Spezial-Button.

Jener besagte Nachmittag begann eigentlich friedlich wie immer. Die übliche Besetzung und diesmal nur Z. von der chinesischen Fraktion am Tisch. Sein Landsmann C. wähnte irrtümlich einen freien Platz und wollte sich dazu setzen. Wir erklärten ihm die Sieben-Personenregel und versuchten sie auch entsprechend zu begründen (so gut es halt ging) und C. verließ den Tisch ungehalten, aber keineswegs unkontrolliert wütend. Wenig später versuchte ein soeben aus dem Main Event ausgeschiedener Russe, den eigentlich gar nicht vorhandenen achten Platz zu erobern. Die Sachlage wurde ihm erklärt, aber weil er so höflich und zurückhaltend  gefragt hatte und unterstützt von den anderen russischen Spielern wurde dann nachgegeben und beschlossen, ab jetzt eben mit zwei gelben Buttons zu spielen, die bei „Deuce to Seven“ quasi für eine Partie das zwangsweise Aussetzen anzeigten.

Im (berechtigten) Gefühl, ein klein wenig mitverantwortlich zu sein für die Abläufe am Tisch, ging ich aber noch vorher zum Floorman um nachsehen zu lassen, ob sich der ungehaltene C. hatte auf die Liste schreiben lassen. In dem Fall wäre der soeben neu geschaffene achte Platz selbstverständlich für ihn reserviert worden. Es war aber niemand auf der Liste und so zockten wir also ab jetzt fröhlich zu acht.

Es kam wie es kommen musste. Keine halbe Stunde später war dann C. wieder da, erfasste mit einem Blick die Situation. Beschloss mich zum hauptverantwortlichen Übeltäter zu machen, und brüllte und schimpfte in einer endlosen Tirade wenig verständlicher Flüche und Beleidigungen. Obwohl größtenteils bemüht in deutscher Sprache zu bleiben, verstand ich kaum etwas. Sah nur einen schreienden Chinesen vor mir stehen, dessen Hals immer dicker wurde und dessen Gesichtsfarbe sich gefährlich dem Herzkönig annäherte.

Ich nehme mal an, Z. wollte mir zur Seite springen. Die Sache aufklären und endlich das Spiel fortsetzen, aber das war eine ganz schlechte Idee.  Auf Chinesisch hatte C. selbstverständlich einen wesentlich breiteren Wortschatz an Flüchen und Beschimpfungen und die wollte er uns und besonders seinem Landsmann Z. am liebsten alle auf einmal präsentieren. So wurde nun Z. statt mir angebrüllt. Das war gut für mich und schlecht für Z. und in weiterer Folge auch noch schmerzhaft für ihn, doch das konnte wirklich niemand ahnen. Auch die langsam und vorbildlich dezent angerückte Security samt Floorman hielt sich zu dem Zeitpunkt professionell und deeskalierend im Hintergrund. Zwar präsent, aber normalerweise beruhigt sich so etwas in kürzester Zeit von selbst.

Was dann kam, damit konnte wirklich niemand rechnen. Z. war das ganze zu bunt und wohl auch zu laut geworden. Mit fester Stimme und wohl um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, stocherte er Löcher in die Luft, gefährlich nah und direkt vor dem Gesicht des verstummenden C. Nach diesem kurzen Moment des Schweigens schnellte C. plötzlich mit dem  Kopf nach vor und so fest er konnte, biss er den verdutzten Z. in den vorgestreckten Zeigefinger. Verhindern konnte man das im Moment nicht und damit rechnen schon gar nicht. Blut floss und C. wurde in der Sekunde aus dem CCC geleitet. Gut dass ich zufällig eine kleine Notfallapotheke dabei hatte, um die Wunde zu versorgen. Z. war entsprechend bleich und sichtlich ein wenig geschockt. Erst verschwand er für eine Weile, um dann nur kurz zurückzukehren. Er nahm seine Chips und verließ ebenfalls das Casino  – sonst so gar nicht seine Art, weil er zum Zeitpunkt der ganzen Aktion sicher einiges im Minus war.

Mich haben dann in den folgenden Tagen etliche Freunde angerufen. Mehrmals musste ich laut am Telefon meine zehn Finger vorzählen. Alle noch da und wer es nicht glauben will, kann sich gerne bei der CAPT in Salzburg davon überzeugen. Übrigens der Übeltäter C. ist selbstverständlich bis auf weiteres gesperrt im CCC. Angeblich lungerte er noch Stunden nach dem Vorfall auf dem Parkplatz herum. Ob er gehofft hatte, wir würden die Partie zu seinen Ehren ins Freie verlegen, oder ob es der ungestillte Appetit auf weiteres Menschenfleisch war, kann ich schlecht beurteilen. Irgendwo in den Niederungen der Gastronomie wird es doch ein Lokal geben, wo sie „Finger süßsauer“ servieren. Ich für meinen Teil gehe C. lieber aus dem Weg. Ich will das dünne Repertoire meiner „Chip Tricks“ keinesfalls gefährden. – In diesem Sinne. Man sieht sich.

Christoph Haller


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