Kolumnen

Die Schweiz das Cervelat-Exil?

Pokerspieler sind zum Teil arme Spielgenossen. Einige gewinnen, (ja auch die gibt’s, Frau Grünstäudl …) und viele verlieren zum Glück. Und welche die gewinnen, leisten sich dann vielleicht einen Luxuswagen und ein schönes neues Heim.

Den schnellen Glücksmomenten hinterher folgte dann plötzlich in zwei mir bekannten Fällen, in der physischen Mailbox ein Steuerbescheid mit der Aufforderung zum „nachsteuern“. In Deutschland habe ich von einer Nachforderung eines erfolgreichen Pokerspielers gehört, die hunderttausend Euro überschreitet. Und dies tut schon gedanklich weh und ich kann dieser Person gut mitfühlen.

Diverse Umzüge im Jahr 2009 von einigen Pros nach Malta haben einige meiner Schweizer Freunde aufgeschreckt. Fragen wie Pokersteuern in der Schweiz gehandhabt werden, wurden plötzlich neben Badbeatstories zum brennenden Thema. „Sollen sie jetzt gar die hohe Schweizer Lebensqualität aufgegeben um eventuell Steuern zu sparen?“

Als Pokerspieler ist man einer Varianz ausgesetzt, welche mathematisch erklärbar ist. Umstände wie Spesen und eben Steuern machen den Braten dieser Formel nicht mehr überschaubar und deshalb stellt sich für viele Schweizer Pokerspieler auch die Frage nach der Taxierung des Staates.

Momentan gibt es von den 7,5 Millionen Schweizer Einwohnern über 30.000 registrierte Pokerspieler, welche zu über 98% täglich einem Beruf nachgehen und für die Poker eine Freizeitbeschäftigung oder ein Nebenerwerb ist.

Für diese ist die Regel betreffend Pokergewinne einfach und einheitlich:
Gewinne von Pokerturnieren außerhalb der lizenzierten Casinos, welche sie live erzielen, müssen sie gemäss mündlicher Auskunft des Steueramts der Stadt Zürich, zehn Prozent von der effektiven Gewinnsumme zu ihrem sonst erzielten Einkommen addieren. Aufwände (Buy ins und Spesen) können auch bei einer Minusrechnung nicht geltend gemacht werden.

Mit einem bitteren Geschmack für einige erfolgreiche nebenberufliche Pokerspieler: Wegen dem progressiven ansteigenden Schweizer Steuersystem, kann dies zu einer Verdopplung der Steuerprozente führen und ihre private Turnierbilanz kann trotzdem negativ ausfallen.

In der Schweiz ist das Steuersystem auf kantonaler Basis geregelt. Jeder Kanton bewertet deshalb selbst und da gibt es frappante Unterschiede. So hat ein Profi Pokerspieler im Kanton Appenzell bisher keine Handhabe, weil dort der Pokerberuf gar keiner ist. Im Einwohner stärksten Kanton der Schweiz, dem Kanton Zürich gibt es schon eine einige beurteilte Fälle, welche im Vergleich zum Hobbypokerspieler sehr vorteilhaft sind:

Die Steuerrechnung 2009 für meinen deutschen Freund ( Pokerprofi ohne Sponsorenvertrag) sieht wie folgt aus:

Gewinn Cashgame (erzielt in Schweizer Casinos):
Fr. 57’600 (ca. 31500 Euro); nicht zu versteuern

Verluste Turniere Schweiz innerhalb Casinos:
Fr. 8700.– (ca. 5800 Euro); nicht Abzugs berechtigt

Verluste Turniere Schweiz ausserhalb Casinos:
Fr. 4100.– (ca. 2700 Euro); zu belegen jedoch nicht Abzugs berechtigt.

Gewinne im Ausland:
Fr. 11’800 ( ca. 7800 Euro); 10% der Gewinnsumme ist steuerbar.

Internetgewinne 2009:
Fr. 151’600.– ( ca. 100’000 Euro); nicht zu belegen oder Steuerbar.

Mein deutscher Kollege, zahlt aufgrund dieser Konstellation für 2009 nur auf Fr. 1’180.– (780 Euro) Einkommen Steuern obwohl er einen Gewinn im Jahr 2009 von Fr. 202’800 (138’800 Euro) erzielte. Er muss kann Gewinne bei Privaten Pokerveranstaltern mit dem Aufwand verrechnen.

Aufgrund von Alimentenzahlungen und Abzügen ergibt dies für ihn nicht einmal eine Steuerbelastung und die Erstellung der Steuererklärung ist sehr einfach.

Natürlich können hier auch noch Fragen des Fiskus, betreffend vorhandenen Quittungen (wie Flug und Hotelrechnungen) oder wie mein deutscher Freund überhaupt seinen Lebensunterhalt bestreitet, folgen. Mit entsprechenden Quittungen und einem gewissen Vermögensstock kann er das eine oder andere sicher gut erklären (..).

Zusätzlich muss er die Sozialleistungen (AHV (Altersvorsorge), Arbeitslosenversicherung, etc.) selbst angeben und bezahlen (ca. 13% des erzielten Einkommens).

Wichtig zu bemerken ist, dass diese Angaben vor gängig verhandelt wurden und Ermessenssache des Steuerkommissariats sind. Es könnte durchaus der Fall eintreten, dass wenn ein Profispieler einen Sponsorenvertrag abgeschlossen hat, welcher für den Fiskus den Haupterwerb für das Steueramt darstellt und deshalb Gewinne bei Schweizer Liveturnieren ausserhalb der gesetzlichen lizenzierten Casinos dazu gerechnet werden müssten und der Aufwand nicht geltend gemacht werden kann. So würde diese Gewinnsumme in die steigende Steuer Progression fallen.

Immerhin hat es mich überrascht, wie kooperativ unsere kantonale Steuerverwaltung sich anstellt. Kein unnötiger Formularkrieg und die völlig unkomplizierte Handhabung von uns Pokerspielern. Wenn wir Zürcher Spieler dieses Jahr schon das berüchtigte Seenachtsfest verpassen, weil wir auf Braceletjagd in Las Vegas sind, dann wird der erste Zürcher Gewinner eventuell als Dank auch ein paar Cervelats den 98% nicht Profispielern bei seiner Braceletfeier spendieren. Mein deutscher Freund würde sich dann sogar auch noch zum Schweizerdeutsch Kurs anmelden.

Gemäss der Städtebeurteilung des Personalberaters Mercers gilt Zürich als weltweit die Nummer zwei mit der höchsten Lebensqualität. Wie auch in Wien (Nummer 1 des Mercerreports) bietet Zürich sehr gute Lebensvoraussetzungen dem professionellen Pokerspieler und könnte sich deshalb als ein gutes Pokerexil für gebeutelte deutsche Profis anbieten. Und hier sind sie nicht mal alleine: Deutsche machen trotz Fehlen der Currywurst, den höchsten Ausländeranteil in der Schweiz aus. Darum seid weiterhin herzlich willkommen, ihr Alemannen, im Cervelatland.

Cheers

Martin Bertschi

(http://de.wikipedia.org/wiki/Cervelat)


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