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Schleswig-Holstein: Rolle rückwärts in die glücksspielrechtliche Steinzeit?

Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung in Schleswig-Holstein verspricht nichts Gutes im Glücksspielrecht. Er soll den Alleingang der CDU/FDP in Sachen Glücksspiel beenden und Schleswig-Holstein zurück in den E-15 Staatsvertrag bringen. Wir haben Rechtsanwalt Axel Mittig um eine Analyse gebeten.


Axel Mittig

Als der Kieler Landtag im September 2011 mit den Stimmen der CDU/FDP-Koalition das neue Glücksspielgesetz verabschiedete, lag ein langer und steiniger Weg hinter den Verantwortlichen. Am Ende präsentierte man (zurecht) stolz ein Gesetz, das den Glücksspielmarkt im nördlichsten Bundesland liberalisieren und modernisieren sollte und das im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben stand bzw. steht.

Gerade der letztgenannte Punkt ist in der Tat ein Novum in der glücksspielrechtlichen Gesetzgebung. Die Vereinbarkeit eines neuen Gesetzes mit dem Verfassungs- und Europarecht sollte zwar eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Dennoch erfüllt(e) bis in die Gegenwart keiner der Lotterie- und Glücksspielstaatsverträge dieses Kriterium.
In relativ kurzer Zeit wurde in Schleswig-Holstein ein komplexes und (auch personell) aufwendiges Genehmigungsverfahren ausgearbeitet und die ersten Lizenzen auf der Basis des neuen Gesetzes wurden kürzlich erteilt.

Die Entwicklung in Schleswig-Holstein gab Anlass zur Hoffnung, dass sich die Zeit der „Monopolisten“ dem Ende neigt und weitere Bundesländer dem Beispiel Schleswig-Holsteins folgen werden anstatt einem Glücksspielstaatsvertrag anzuhängen, der wie all seine Vorgänger voraussichtlich spätestens vor dem EuGH kläglich scheitern wird.

Seit der Landtagswahl am 06. Mai 2012 wächst allerdings die Sorge vor einem erneuten Kurswechsel Schleswig-Holsteins. Denn die neue Regierung aus SPD, B´90/Grüne und SSW wird immerhin von den Parteien gebildet, die zuvor das neue Glücksspielgesetz vehement bekämpft hatten.

Der nun formulierte Koalitionsvertrag, der aller Voraussicht nach in den kommenden Tagen von den genannten Parteien verabschiedet werden wird, verstärkt diese Sorgen erheblich. Denn es heißt dort (Seite 13 des Koalitionsvertrages):

„Ziel der Landesregierung ist eine bundeseinheitliche Regelung des Glücksspiels und der Beitritt Schleswig-Holsteins zum Glückspielstaatsvertrag.“

Der politische Wille ist also klar:
Bloß keine Extrawürste und schnell zurück in ein System mit den anderen Bundesländern. Es interessiert dabei offenbar nicht, dass jenes System aller Voraussicht nach ebenfalls spätestens vor dem EuGH scheitern wird, weil es – trotz der kosmetischen Änderungen und Anpassungen z.B. hinsichtlich der Anzahl der Lizenzen –  schlicht europarechtswidrig ist.

Weiter heißt es in der Koalitionsvereinbarung:

„Die Landesregierung wird prüfen, wie die Aufhebung des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes ohne Schadensersatz möglich ist und wie es durch eine Gesetzesänderung wettbewerbsrechtlich möglich ist, die Lizenzvergabe zu stoppen.“

Aha, eine rechtliche Prüfung soll also erfolgen. Das dürfte schnell gehen. Denn die Antwort auf die Frage, ob Schadensersatzzahlungen zu verhindern sind, lautet eindeutig „nein“. Fraglich ist da allenfalls die Schadenshöhe. Und auch die Frage, ob und wie sich die Lizenzvergabe stoppen lässt und welche Folgen dies in finanzieller Hinsicht für das Land Schleswig-Holstein hätte, dürfte den Verantwortlichen Kopfzerbrechen bereiten.

Dies alles tritt jedoch vor dem eindeutig formulierten politischen Ziel vermutlich in den Hintergrund. Wahrscheinlich wird man finanziellen Schaden in Kauf nehmen, um wieder brav einzuscheren in die Riege der anderen Bundesländer. Dabei wird man ignorieren, dass die Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit des Staatsvertrags offenkundig ist und dass bereits ein deutliches, negatives Signal von der EU-Kommission vorliegt.

Ich habe zu der „G15-Regelung“, der sich Schleswig-Holstein offenbar nun doch anschließen möchte, bereits hier (www.pokerfirma.com/news/rechtsanwalt-axel-mittig-der…/106165) Stellung genommen. Dem ist eigentlich nichts hinzufügen.

Sollte der Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein verabschiedet und umgesetzt werden, bedeutet dies nichts anderes als eine Kehrtwende zurück in alte, rechtswidrige Muster und zweifellos einen riesigen Rückschritt auf dem Weg zu einer vernünftigen und europarechtskonformen Regelung im Bereich des Glücksspiels. Es wäre ein erschreckendes Paradebeispiel dafür, wie wenig Einfluss Sachargumente und Entscheidungen der höchsten deutschen und europäischen Gerichte auf die Gesetzgebung haben, wenn diese nicht den Interessen der Politiker entsprechen.

Das Resultat werden (erneut) unzählige Gerichtsverfahren sein, die am Ende vermutlich wieder den EuGH auf den Plan rufen werden. Dieser wird erneut die gesetzlichen Regelungen in Deutschland kritisieren. Ob diese Kritik dann schließlich dazu führt, dass eine europarechtskonforme Regelung gesucht und gefunden wird, muss aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre bezweifelt werden.

Axel Mittig
Rechtsanwalt
Grindelallee 20
20146 Hamburg
[email protected]


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